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Direkt-to-Consumer Advertisement (DTCA) in Deutschland: Nur ein bisschen verboten?

  • NIKLAS SCHURIG (Workshop)

  • MEZIS & VdPP Fachtagung 2024 „Medikalisierung, Übertherapie, Pathologisierung“

In diesem Workshop ging es darum, anhand konkreter Beispiele (Gürtelrose, Meningokokkenimpfung), die rechtlichen Grenzen und deren größtmögliche Ausnutzung dieser Werbestrategie durch pharmazeutische Unternehmen zu verstehen, und Ideen zur Bekämpfung dieser zu entwickeln.

In der Einleitung wurden die aktuell laufenden Werbekampagnen diskutiert. Besonders fragwürdig erschienen Werbe-Videos in sozialen Netzwerken, die verstümmelte und entstellte Kinder und Jugendliche (je nach Zielgruppe) nach überstandener Meningokokken-Infektion darstellten.

Gesetzesgrundlage?

Einen großen Anteil am Workshop hatte die unvermeidliche rechtliche Einordnung: Verschiedene Gesetzesgrundlagen auf EU-, Bundes- und Landesebene bilden eine leider unübersichtliche Ausgangslage. Auf EU-Ebene wurden glücklicherweise zwei Vorstöße der EU-Kommission, DTCA zu erlauben, abgewehrt, somit ist immer noch die Richtlinie 2001/83/EG die Rechtsgrundlage. Die Frage, ob die Verbreitung von Informationen ein Werbeziel beinhaltet, ist jedoch durch eine konkrete Prüfung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu ermitteln, was wiederum Sache des nationalen Gerichts ist.

Auf Bundesebene kommt §3 des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) eine zentrale Bedeutung zu. Zu berücksichtigen ist ferner, dass bei Impfstoffen nach Infektionsschutzgesetz die „Information und Aufklärung der Allgemeinheit über die Gefahren übertragbarer Krankheiten und die Möglichkeiten zu deren Verhütung“ eine „öffentlichen Aufgabe“ ist. Das Heilmittelwerbegesetz untersagt „irreführende Werbung“. Das Oberlandesgericht Oldenburg urteilte 2005 dazu: „Eine darauf bezogene, in den Anwendungsbereich des HWG fallende Werbung ist dann irreführend, wenn sie in den angesprochenen Verkehrskreisen bei einem durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher zu unzutreffenden, von der Wirklichkeit abweichenden Vorstellungen führt oder zumindest führen kann.“

Nach § 11 Abs. 1 Nr. 3 Heilmittelwerbegesetz darf auch nicht geworben werden „… mit der Wiedergabe von Krankengeschichten sowie mit Hinweisen darauf, wenn diese in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise erfolgt oder durch eine ausführliche Beschreibung oder Darstellung zu einer falschen Selbstdiagnose verleiten kann.“ Das Problem dabei: Zu einer Darstellung in missbräuchlicher Weise liegt noch keine Rechtsprechung vor.

Zudem fällt eine Werbeaussage, die geeignet ist, Angstgefühle hervorzurufen oder auszunutzen, seit 2012 nicht mehr unter das Heilmittelwerbegesetz, sondern unter das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb UWG. Auch dort gilt wieder der Einzelfall, bei dem die Werbung zunächst erst einmal derart unangemessen Einfluss ausüben muss „… um die freie Entscheidung der Verbraucher zu beeinträchtigen …“, was wiederum am Einzelfall zu prüfen ist.

Fazit der Teilnehmenden war nach dieser, sicherlich nur unvollständigen Übersicht, dass die juristischen Voraussetzungen denkbar ungünstig sind, um durch Klagen, die über eine konkrete Werbekampagne hinaus gültig sind, allgemein gültige Klärungen zu erzielen.

Handlungsmöglichkeiten?

Im letzten Teil des Workshops ging es um bisherige Versuche, in diesem Bereich durch Anfragen zunächst Transparenz in den Zuständigkeiten herzustellen. Günther Egidi und Jörg Schaaber hatten als Einzelperson und als Herausgeber von „Gute Pillen, schlechte Pillen“ (GPSP) dazu bereits Artikel und Anfragen veröffentlicht – jeweils jedoch ohne weitergehende Erfolge. Auch der von mir angefragte „Beauftragte der Bundesregierung für Belange der Patientinnen und Patienten“ fühlte sich nicht zuständig und verwies an das Bundesgesundheitsministerium. Die Verbraucherzentrale/ Wettbewerbszentrale schrieb mir, dass sie keinen Verstoß erkennen könne, „da ein Medikament nicht genannt wird“. Und die für den Impfstoffhersteller GSK zuständige Aufsichtsbehörde, die „Regierung von Oberbayern“ wollte auch auf mehrfache Nachfragen bis Mai 2024 keine weitergehenden Informationen preisgeben.

Somit ging der Workshop etwas frustrierend, aber dennoch mit neuen Informationen zu einer zukünftig wohl zunehmenden Werbestrategie zu Ende. 

Autor

Niklas Schurig

Niklas Schurig ist als Facharzt für Allgemeinmedizin in einer Gemeinschaftspraxis in Rastatt niedergelassen. Seit 2012 engagiert er sich im MEZIS-Vorstand insbesondere zu den Themen ärztliche Fortbildungen und Digitalisierung.