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Rubrik: News
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Schlagwörter: Hauptstadtkongress, Lobbyarbeit
Bundes-Lobby-Kongress in Berlin, 25.6.2025-27.06.2025
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NIKLAS SCHURIG
Der Bundes-Lobby-Kongress, pardon, der Hauptstadtkongress [1] in Berlin zeigt, wie gut geschmiert es beim Lobbyismus im Gesundheitswesen in Deutschland läuft.
Einer der Hauptsponsoren ist der Pharma-Konzern Pfizer und an diesem Beispiel kann man gut darstellen, wie unbeschränkt Profit-Lobbyisten 2025 in Deutschland schalten und walten können.
Als Hauptsponsor durfte Pfizer vorab natürlich schon mitbestimmen,[2] welche Themen bespielt werden sollen und auch gleich 3 „Speaker“ auf den gewünschten Podien verteilen. Wir warten (Stand 29.05.2025) noch auf die Auskunft des Veranstalters, wieviel Geld Pfizer dafür bezahlt hat … Bei Eintrittspreisen von bis zu 865 Euro pro Ticket kann man aber schon jetzt erahnen, welche Bedeutung diesem Event in der Gesundheitsindustrie beigemessen wird.
Themenwahl = Agendasetting

Quelle: hauptstadtkongress.de
Pfizer ist es momentan wichtig, dass Stimmung gemacht wird gegen das aktuell erschienene Gutachten des Sachverständigenrates [3] Gesundheit und Pflege, welches angesichts explodierender Arzneimittelpreise vollkommen zu Recht „die Einführung eines jährlich anzupassenden Arzneimittelbudgets für patentgeschützte, hochpreisige Arzneimittel“ empfiehlt. So stellt das „Hauptstadtforum Gesundheitspolitik“ dieses Kongresses auch die rhetorische Frage „Fairer Zugang zu Arzneimittelinnovationen – medizinischer Forschritt um jeden Preis?“ und setzt als Speaker Frau Wildenradt als „Head of Access & Value, Pfizer Pharma GmbH“ auf das Podium, um beim sicherlich hochkarätigen Publikum gegen das Gutachten mobilisieren zu können.

Quelle: hauptstadtkongress.de
Schon länger [4] am (etwas erfolglosen) Agendasetting versucht sich Pfizer auch beim „Präventionsindex“. Die uninformierte Öffentlichkeit soll anhand dieses Indexes endlich sehen, wie schlecht es doch um ihre Vorsorge in den verschiedenen Gesundheitsbereichen bestellt sei … und natürlich hat Pfizer die passenden Medikamente dafür. Der „Medizinische Direktor von Pfizer“ hat passenderweise direkt ein maßgeschneidertes Forum auf dem Kongress bekommen: „Prävention – quo vadis: Erwartungen an eine zielführende Kommunikation für Prävention und Gesundheitsförderung“, um die Erwartungen Pfizers an die Politik nochmals unmissverständlich klarzustellen.
Ein Blick ins Lobbyregister …
Ein Blick ins Lobbyregister des Bundestages zeigt die auch dort massiven Lobby-Aktivitäten Pfizers [5] in allen Bereichen der Gesundheitspolitik. Als Beispiel für diese Wirkmacht bis direkt in die Gesetzesvorhaben ist das „Gesundes-Herz-Gesetz“, welches Ärzte dazu verpflichten soll, bereits Kinder auf Fettstoffwechselstörungen hin zu untersuchen. Das Gesetz wurde u. a. wegen dieses Massenscreenings zu Recht von den meisten unabhängigen Fachgesellschaften und Experten [6] massiv kritisiert. Eingebracht wurde es u. a. von der pharmanahen (und auch großzügig von Pfizer unterstützten) [7] Deutschen Kardiologischen Gesellschaft. Pfizer lobbyiert laut Lobbyregister ebenfalls für dieses Gesetz, weil es ein teures Medikament verkaufen will, welches auch bei Vorhofflimmern zur Blutverdünnung gegeben werden kann. Und wer weiter sucht, sieht zum Beispiel an dieser Einladung „Herzensangelegenheit Schlaganfallprävention“,[8] dass auch der Kongresspräsident des aktuellen Hauptstadtkongresses bei dieser Ärztefortbildung als Kursleiter von Pfizer Geld bekommt. Wer die Kapelle bezahlt, bestimmt die Musik.
Genug gegruselt? Ein letztes Beispiel …
Lex Lilly 2.0
Wer bis hierhin noch meint, es ginge um legitime Verkaufsarbeit und allenfalls unappetitliche Einzelfälle, sollte sich noch die Fortsetzung der erfolgreichen „Lex Lilly“-Strategie bei diesem Kongress anschauen. Zur Erinnerung: Das „Medizinforschungsgesetz“ von 2024 wurde vom Bundesgesundheitsministerium als Gegenleistung für die neue Abnehmspritzenfabrik der Firma Lilly geschrieben. Ja, Sie haben richtig gelesen, das Gesetz, welches Pharmafirmen noch mehr Geheimhaltung bei ihren Preisverhandlungen ermöglicht, wurde auf Wunsch der Pharmaindustrie von eben dem Ministerium geschrieben, welches eigentlich die Arzneimittelausgaben begrenzen soll. Ein Skandal, Korruption im Amt und eine Mail aus dem Referat 117 des BMG [9] bestätigt dies auch noch schriftlich: Es „kann dem CEO von Eli Lilly Dave Ricks mitgeteilt werden, dass das BMG dem Wunsch von Eli Lilly nachkommt und im Rahmen des MFG plant, vertrauliche Rabatte für den Herstellerpreis zu ermöglichen.“

Quelle: hauptstadtkongress.de
Schauen wir mit diesem Wissen auf das nächste Kongress-Podium: „Das Medizinforschungsgesetz im Qualitätscheck: Spitzenmedizin wieder Made in Germany?!“ Auf dem Podium sitzt – kaum überraschend – neben Patrick van der Loo, „Country President bei Pfizer Deutschland“, auch Thomas Müller vom Bundesministerium für Gesundheit und Chef eben des Referates 117 (das mit der E-Mail …). Da bekommt der blumige Titel „Country President“ doch gleich einen ganz anderen Touch.
Fazit
Auch dieser Kongress zeigt, dass in Deutschland die Gatekeeper, die Aufsichtsbehörden, ihrem Job nicht nachkommen und im Gegenteil mit dem Gegner ins Bett oder zumindest an die Bar gehen. Es geht um reinsten, ungenierten Profit-Lobbyismus mächtiger, multinationaler Konzerne, die so strategisch vorbereitet Milliardengewinne aus dem Geldbeutel der Krankenkassenbeitragszahler abschöpfen.
Und nein, es sind keine bedauerlichen Einzelfälle, es ist vielmehr ein System, welches alle Bereiche der Politik, der ärztlichen Fachgesellschaften und der Ärztefortbildungen weitgehend unbehindert mit seiner Agenda bespielt und höchste Gewinne zu Lasten der Bürger und Patienten [10] absahnt.
Und wir dürfen uns dank der neuen Regierung auf noch mehr Lobby-Power freuen: Das BMG hat bereits die Fortsetzung der nicht-öffentlichen „Pharmadialoge“ angekündigt. Klüngelrunden in Hinterzimmern [11] bei denen – ähnlich zu den Autogipfeln – die Chefs der Pharmaindustrie direkt mit den Regierungsspitzen ihre Wünsche und Gesetzesvorschläge diskret besprechen können …
Genug gegruselt.
Wer jetzt wütend ist, lese bitte das wunderbar positive Buch „Korrumpiert“ von Marco Bülow und höre seinen Podcast zu eben dieser systemischen Problematik der aktuellen „LoKo“ (Lobby-Koalition) an.
Autor

Niklas Schurig
Niklas Schurig ist als Facharzt für Allgemeinmedizin in einer Gemeinschaftspraxis in Rastatt niedergelassen. Seit 2012 engagiert er sich im MEZIS-Vorstand insbesondere zu den Themen ärztliche Fortbildungen und Digitalisierung.
Fußnoten
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