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Pressemittielung: „Deutschland misst!“ – Konzerne schüren Diabetes-Angst zur Kundengewinnung

„Unerkannt unterwegs? 2 Millionen Menschen haben Diabetes, ohne es zu wissen“: Mit diesen und anderen verunsichernden Aussagen macht die Kampagne „Deutschland misst!“ rechtzeitig zum Weltdiabetestag auf sich aufmerksam und ruft breite Bevölkerungsschichten zum Diabetes-Screening auf. Der medizinische Nutzen ist bestenfalls zweifelhaft, diverse Marktakteure hoffen aber offenbar auf deutliche Umsatzsteigerungen.
So finden sich unter den „Partnern“ der Aktion führende Pharmaunternehmen und diverse Dienstleister wie Apotheken oder Diabetiker-Zeitschriften. Das Kalkül dabei ist ganz offiziell und unverblümt marktwirtschaftlich. Im Bereich „Für Apotheken“ auf der Kampagnen-Website liest man: „So tatsächlich ein Typ-2-Diabetes diagnostiziert werden sollte, haben Sie einen dankbaren Stammkunden gewonnen!“
Obwohl diese Art von Pharma-Marketing ein bewährtes Instrument zur Profitsteigerung ist, hat das „Disease mongering“ („Handeln mit Krankheiten“) Auswirkungen, die über die beabsichtigte Steigerung von Verkaufszahlen hinausgehen:
Risikofaktoren (Übergewicht, familiäre Belastung) werden zu unterdiagnostizierten und behandlungspflichtigen Krankheiten umgedeutet.
Menschen mit (reversiblen) Risikofaktoren werden krank gemacht und verunsichert.
Das Gesundheitssystem wird durch unkoordinierte Screenings finanziell und personell belastet.
Niklas Schurig, Hausarzt und MEZIS-Mitglied: „Eine große Meta-Analyse aus dem Jahr 2015 untersuchte die Frage, ob ein Screening auf Diabetes – so wie deutschlandmisst.de es durchführt – einen Nutzen hat. Das Ergebnis ist eindeutig: Es gibt keinen Beleg dafür, dass bei 10jährigerNachbeobachtungszeit ein Diabetes-Screening das Leben verlängert, und viele wichtige Fragen zum Screening sind unzureichend untersucht.
Fabian Schubach, ebenfalls Arzt und MEZIS-Mitglied, ergänzt: „Für Pharmaunternehmen und andere medizinische Dienstleister ist es natürlich ein lukrativer Markt, breite Bevölkerungsschichten mit Angstkampagnen in anlasslose Massen-Screenings zu treiben. In vielen Fällen ist es aber unseriös bis schädlich. Früher ist nicht immer besser. Wer viel misst, misst viel Mist.“
Tatsächlich zeigen umfangreiche Studien, dass der Nutzen von Prävention gemeinhin überschätzt, das Schadenspotenzial unterschätzt oder vollkommen vernachlässigt wird. MEZIS fordert daher: Jede Empfehlung zu einer medizinischen Maßnahme muss sich auf belastbare wissenschaftliche Belege zu Nutzen und Schaden stützen. Das gilt auch für Vorsorge und Früherkennung.

Die Pressemitteilung finden Sie hier.

Ansprechpersonen:
– Dr. Niklas Schurig, MEZIS-Vorstand: , Tel.: 01520-4753503
– Fabian Schubach, MEZIS-Mitglied: , Tel.: 0151 75347566

2016