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Pressemitteilung: Ärzte ohne Euros

Zur Offenlegung von Zahlungen der Arzneimittelhersteller an alle Ärztinnen und Ärzte

Die gute und die schlechte Nachricht kommen im Doppelpack: Erstmals veröffentlichte die Arzneimittelindustrie am 30.6.2016 ihre Zahlungen an ÄrztInnen und ärztliche Organisationen im Jahr 2015 – aber nur 29 Prozent der Betroffenen stimmten der Veröffentlichung in Deutschland zu. Das Ziel der Transparenz wird damit klar verfehlt. Während in den USA der gesetzlich verfügte „Physician Payments Sunshine Act“ seit 2014 alle Zahlungen an ÄrztInnen auf einer Website zugänglich macht, basiert das Europäische Gegenstück mit Hinweis auf den Datenschutz auf dem Prinzip der Freiwilligkeit. Dass die Bereitschaft zur Transparenz in Europa unterschiedlich entwickelt ist, zeigt die Zustimmungsrate von 70 Prozent in Großbritannien gegenüber den 29 kümmerlichen Prozent in Deutschland. Auch der Nachdruck der Firmen scheint zu variieren: Während GlaxoSmithKline 92 Prozent der Zahlungen veröffentlichte, brachte es Sanofi Aventis nur auf 16 Prozent. Ein weiterer Strickfehler des europäischen Modells ist der Verzicht auf ein zentrales Register. Stattdessen gibt jede Firma ihre eigene Liste in einem eigenen Format heraus, was eher zur Verwirrung als zur Transparenz führt. Die investigativen JournalistInnen von Correctiv zeigten, dass man es besser machen kann und führten die Firmendateien zu einer recherchierbaren Datenbank zusammen.

Als ärztliche Organisation setzt sich MEZIS („Mein Essen zahl ich selbst“) für die vollständige Offenlegung aller Zahlungen der Arzneimittel- und Medizingeräteindustrie an Beschäftige im Gesundheitswesen ein. Zahlreiche Studien belegen, dass solche Zahlungen das Risiko der Beeinflussung in sich bergen. Von der Industrie finanzierte Studien, Behandlungs-Leitlinien, Kongresse und Fortbildungen begünstigen in aller Regel die Produkte der Sponsoren und klären oft unzureichend über deren Nebenwirkungen auf. Umgekehrt neigen ÄrztInnen, die Kongresse und Fortbildungen von der Industrie finanziert bekommen, zur vermehrten Verschreibung der beworbenen Arzneimittel.

Zwei Lösungen sind denkbar, um das im ersten Anlauf gescheiterte Transparenzregister doch noch zu einem Erfolg werden zu lassen. Entscheidend dafür ist der Wille der Firmen zur Transparenz. Denn die Bereitschaft zur Offenlegung kann bereits im Rahmen der geltenden Datenschutzbestimmungen verbessert werden, indem die Industrie nur dann zahlt, wenn der Empfänger der Veröffentlichung zustimmt. In diese Richtung geht bereits die Firma GlaxoSmithKline und hat damit ihre hohe Offenlegungsrate von 92 Prozent erzielt. Sollte die Industrie selbst die Transparenz nicht herstellen können, wird eine gesetzliche Regelung nach dem Vorbild der USA erforderlich. Bisher zögert die Politik – bei einem weiterhin rasanten Anstieg der Arzneimittelkosten muss sie wahrscheinlich umdenken. Ein reformiertes Register muss zudem die individuellen Zahlungen für sogenannte Anwendungsbeobachtungen enthalten. Anwendungsbeobachtungen sind meist Pseudo-Studien ohne wissenschaftlichen Wert, die den Firmen verdeckte Kickback-Zahlungen an die verordnenden Ärzte ermöglichen.

MEZIS plädiert für die Transparenz der industriellen Zahlungen. Nur so können die resultierenden Interessenkonflikte erkannt und differenziert bewertet werden. Zudem werden sich viele der Begünstigten überlegen, ob die Zuwendungen im Rahmen einer wissenschaftlichen Kooperation öffentlich vertretbar sind – oder aber als ungerechtfertigte Vorteilsnahme rasch beendet werden sollten.

Ansprechpersonen:
– Dr. Christiane Fischer, Ärztliche Geschäftsführerin MEZIS: , Tel: 01575-5575135
– Dr. Niklas Schurig, MEZIS-Vorstand, Leitlinienwatch: , Tel: 01520-4753503
– Prof. Dr. Thomas Lempert, ‚Mitglied bei MEZIS und Neurology First:  ,Tel: 030-31506684

Die PM finden Sie hier.

 

2016