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MEZIS Fachtagung verabschiedet „Bonner Appell“ und vergibt Negativ-Award „Goldenes Zäpfchen“

„Der Mensch muss im Mittelpunkt der Medizin bleiben!“

Fachtagung der Ärzteinitiative MEZIS e.V. „Mein Essen zahl’ ich selbst“ verabschiedetBonner Appell“

Der Verband forschender Arzneimittelunternehmen (vfa), das Fortbildungsportal ESANUM und das Präparat Xarelto der Firma Bayer sind erste Preisträger des Negativpreises „Goldenes Zäpfchen“

Die bundesweite Initiative unbestechlicher Ärztinnen und Ärzte MEZIS lud am vergangenen Wochenende zur Fachtagung „Markt.Macht.Daten – Kann Medizin noch Mensch?“ nach Bonn ein. Zahlreiche weitere Ärztevereinigungen und Akteur*innen des Gesundheitswesens folgten dieser Einladung. Bereits in der Podiumsdiskussion am Freitagabend wurde das Spannungsfeld ersichtlich: Einerseits kann die fortschreitende Digitalisierung der Medizin große Chancen in der Versorgungs- und Anwendungsforschung bieten, die auch dringend zur Überwachung von neuen Medikamenten und Therapien gebraucht wird. Das Podium, bestehend aus Prof. Dr. Wolf-Dieter Ludwig, dem Vorsitzenden der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ), Dr. Leonor Heinz, Beisitzerin im Bundesvorstand des Hausärzteverbandes, der Soziologin Erika Feyerabend und dem Journalisten Detlef Borchers, erörterten aber auch die andere Seite: mögliche Einfallstore zum Datenmissbrauch für Konzerne der Pharma- und Technologiebranche mit hohem Schadenspotential.

In verschiedenen Workshops beschäftigten sich die Teilnehmenden mit einem breiten Themenspektrum: von der Arzneimittelpreisentwicklung, über die Versorgung von Migrant*innen und notwendige Paradigmenwechsel in der Medizin und im Gesundheitswesen, Einflussnahmen in der Selbsthilfe bis hin zu Einfallstoren für Korruption und Probleme der globalen Gesundheitsversorgung in der Corona-Pandemie. Als Ergebnis der Fachtagung formulierten die Fachtagungsteilnehmenden gemeinsame Thesen zur Ausgestaltung unseres zukünftigen Gesundheitswesens (siehe unten).

Anlässlich ihres 15jährigen Jubiläums hat die Ärzteinitiative „Mein Essen zahl‘ ich selbst“ erstmalig den Negativpreis „Goldenes Zäpfchen“ für besonders dreiste Beispiele von Einflussnahmen und Profitstreben im Gesundheitswesen verliehen. In der Kategorie „Lobbyarbeit summa cum laude“ ging der Preis an den Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA), dem es in den letzten Jahren hervorragend gelungen ist, die Interessen seiner Mitglieder in politischen Entscheidungsprozessen zu platzieren. „Lobbyismus im Gesundheitssektor gefährdet Menschenleben durch Hochpreispolitik, Patentkriege und gewinngetriebene Forschung bei vorzugsweise lukrativen Erkrankungen“, führt Prof. Dominikus Bönsch, Vorstandsmitglied von MEZIS, in seiner Laudatio aus.

In der Kategorie „Sponsor maximus“ wurde der Preis dem Fortbildungsportal ESANUM verliehen, das wiederholt wegen seiner mit hohen Sponsoringsummen der pharmazeutischen Industrie finanzierten Ärztefortbildungen kritisiert wurde. Dr. Niklas Schurig, ebenfalls MEZIS-Vorstandsmitglied, erklärt in seiner Laudatio das Geschäftsmodell: „Die Firmen zahlen diese Summen nicht für den Stand, sondern für den Zugang zu den Köpfen der dort versammelten Kolleginnen und Kollegen“.

In der Kategorie „Blockbuster supreme“ ging das erste Goldene Zäpfchen an die Firma Bayer für ihr Präparat Xarelto. MEZIS-Vorstandsmitglied Manja Dannenberg schildert in der Begründung den Siegeszug dieses Medikamentes zur Blutverdünnung, der vor allem auf ein gelungenes Marketing der Herstellerfirmen, nicht jedoch auf einen überzeugend nachgewiesenen Behandlungsvorteil zurückzuführen ist. Xarelto findet sich 2021 auf Platz 4 der umsatzstärksten Medikamente in Deutschland. „Eine erschütternde Tatsache!“, so Manja Dannenberg.

 

„BONNER APPELL“

 Der Mensch muss im Mittelpunkt der Medizin bleiben.

Medizinischer, technologischer und digitaler Fortschritt darf nicht dazu führen, dass wir den einzelnen Menschen mit seinen individuellen Bedürfnissen aus dem Blick verlieren.

Gute Gesundheitsversorgung braucht gute Forschung.

Digitalisierung bietet uns dazu Chancen. Daten müssen Forschenden vollständig zugänglich sein. Sie dürfen nicht kommerziellen Interessen dienen. Datenmissbrauch muss verhindert werden.

Gesundheitsversorgung darf kein Gesundheitsmarkt sein.

Gesundheitsversorgung ist eine gesellschaftliche Aufgabe. Sie muss frei von kommerziellen Interessen gestaltet werden und sich am Gemeinwohl orientieren.

 

 

 

2022