MEZIS-Appell: Impfstoffsicherheit darf weder dem Zeitdruck noch dem Profit geopfert werden
Pressemitteilung
10. Dezember 2020
MEZIS-Appell zum Jahreswechsel: Die Impfstoffsicherheit darf weder dem Zeitdruck noch dem Profit geopfert werden
Aufruf zu Besonnenheit, Sorgfalt und Transparenz auch in Pandemiezeiten
In Deutschland werden bereits intensive Anstrengungen unternommen, um Logistik und Personal für die COVID-19-Impfung breiter Bevölkerungsschichten ab dem Jahreswechsel vorzuhalten.
Die Ärzteinitiative MEZIS e.V. – Mein Essen zahl‘ ich selbst, die sich seit ihrer Gründung die Sensibilisierung für Einflussnahmen und Interessenkonflikte in der Medizin und Gesundheitsversorgung zur Aufgabe gemacht hat, richtet sich zum Ausklang des schwierigen Jahres 2020 mit folgendem Appell an die Entscheidungstragenden in Politik, den Gesundheits- und Zulassungsbehörden sowie den Ärztinnen und Ärzten:
MEZIS mahnt die Bundesregierung zu einer kontinuierlichen, sorgfältigen Beurteilung und Abwägung des Nutzens, der Risiken und Kosten über den gesamten Prozess der geplanten massenhaften Impfung mit einem neuartigen Impfstoff. Die Skandale um die Pandemrix-Impfung und Tamiflu gegen Schweinegrippe, die alle unter Pandemie-Druck breit eingesetzt wurden und letztlich entweder unwirksam waren (Tamiflu) oder schwerwiegende Nebenwirkungen verursachten (Pandemrix), sollten Anlass geben, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen. Wir fordern die Verantwortlichen dazu auf, für ein Klima zu sorgen, in dem jeder und jedem Einzelnen eine fundierte und objektive Entscheidung für oder gegen eine Impfung ermöglicht wird – unter Abwägung der Interessen der und des Einzelnen und der Gesellschaft. Eine „Impfpflicht durch die Hintertür“ (z. B. bei Reisenden oder medizinischem Personal) muss durch die Bundesregierung ausgeschlossen werden.
MEZIS erwartet, dass die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) und das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) trotz des immensen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Drucks, der bezüglich der Impfzulassung herrscht, ihrer großen Verantwortung als Zulassungsbehörden gerecht werden und der Arzneimittelsicherheit auch bei der Eindämmung der COVID-19-Pandemie oberste Priorität einräumen.
Wir begrüßen die geforderte kontinuierliche und sehr kritische Überwachung der Impfstoffanwendung, die unter den gegebenen Umständen einen wichtigen Bestandteil des sonst langwierigen und umfassenden Studienverlaufs vor Zulassung ersetzen muss und wird. Diese Aufgabe sollte nach unserer Auffassung das für diesen Zweck geschaffene, neutrale Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) übernehmen, das auch den Bürgerinnen und Bürgern evidenzbasierte, ausgewogene und industrie-unabhängige Informationen zur Impfung bereitstellen kann.
Wir fordern wie das IQWiG in seiner Stellungnahme vom 14.05.2020 [1], die mit der Impfstoffentwicklung beauftragte pharmazeutische Industrie zur uneingeschränkten Transparenz auf und erwarten, dass allen zuständigen Behörden und Gremien umfassende und unverzügliche Einsicht in alle Studiendaten gewährt wird, damit eine fundierte Empfehlung zum Einsatz des Impfstoffs, zu Risiken und Kontraindikationen erarbeitet werden kann. Fehler durch mangelnde Transparenz in den Zulassungsstudien, wie bereits aus Brasilien publiziert, dürfen sich nicht wiederholen! [2]
Unsere ärztlichen Kolleginnen und Kollegen und das medizinische Fachpersonal in den Kliniken, Praxen und Impfzentren, die mit den Impfungen beauftragt werden, fordern wir dazu auf, ihre Patientinnen und Patienten angesichts der noch vielen offenen Fragen sorgfältig aufzuklären und gewissenhaft Nebenwirkungen zu erfassen und den zuständigen Stellen zu melden. Hierzu müssen sowohl ausreichend Zeit als auch evidenzbasiertes, industrie-unabhängiges Informationsmaterial vorhanden sein.
Das Vertrauen der Bevölkerung in das an sich wirkungsvolle Mittel der Impfung darf nicht leichtfertig durch Intransparenz und Profitstreben verspielt werden. Der Grundsatz ärztlichen Handelns „Primum non nocere – erstens nicht schaden“ muss insbesondere bei dieser in vielen Teilaspekten noch nicht abschätzbaren Impfung beachtet werden.
Quellen:
[1] https://www.iqwig.de/de/presse/pressemitteilungen/2020/alle-klinischen-studiendaten-zu-covid-19-arzneimitteln-und-impfstoffen-sollten-mit-dem-tag-der-marktzulassung-veroeffentlicht-werden.13015.html
[2] Arzneimittelbrief, AMB 2020, 54, 85: „Zur Entwicklung genetischer Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 – technologische Ansätze sowie klinische Risiken als Folge verkürzter Prüfphasen “