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Die europäische Arzneimittelbehörde EMA plant weitreichende Lockerung der Zulassungsvorschriften und Anforderungen an neue Arzneimittel

Das geht unter anderem aus einem Bericht des arznei-telegramms® (1) und zwei Strategiepapieren der Behörde (2,3) hervor. Unter dem Schlagwort „Adaptive Zulassungsverfahren“ („Adaptive Licensing“/“Adaptive Pathways“) sollen neue Medikamente künftig auf der Basis kleinerer Studien und „scheibchenweise“ vorgelegter Evidenz zu beschleunigter Marktreife gelangen können. Initiale kleine Indikationsgruppen sollen dabei schrittweise ausgedehnt werden. Surrogatparameter sollen gegenüber klinischen Endpunkten wieder einen höheren Stellenwert erhalten, ebenso Beobachtungsstudien, Pharmakovigilanzinstrumente und Post-Marketing-Untersuchungen gegenüber prospektiven randomisierten Interventionsstudien. Begründet wird das Konzept damit, PatientInnen schnelleren Zugang zu dringend benötigten Therapien verschaffen zu wollen, aber auch mit „früheren Einkünften und weniger teuren und kürzeren klinischen Studien“ für Unternehmen (3). Die beiden genannten EMA-Papiere werden mitgetragen von zahlreichen Co-AutorInnen mit umfangreichen Verbindungen zur pharmazeutischen Industrie.

Unklar bleibt bisher, in welchen Fällen das adaptive Konzept greifen soll. Im Internetauftritt der EMA heißt es, adaptive Zulassungsverfahren seien „primär“ für Therapien vorgesehen, von denen die Erfüllung eines „erheblichen medizinischen Bedarfs“ zu erwarten sei (4). Das Strategiepapier von 2012 bietet allerdings noch eine gänzlich andere Lesart: „[…] adaptive Verfahren sind letztendlich als Ersatz für das derzeitige Zulassungs- und Autorisierungsmodell vorgesehen und wären als solche auf die meisten neuen Produkte anwendbar.“ (3)

Der Vorstoß wird von industrieunabhängigen Akteuren scharf kritisiert. Ihnen zufolge droht der europäische Markt überschwemmt zu werden durch Medikamente mit unsicherem Nutzen und höherem Risiko schwerer Schadwirkungen – zum Vorteil der Unternehmen und zum Nachteil der PatientInnen (1,5). Modellprojekte für adaptive Verfahren laufen bereits seit Anfang 2014.

1.   EMA PLANT „ADAPTIVE ZULASSUNGEN” … Deregulierung im Sinne der Pharmaindustrie mit erhöhten Risiken für Patienten. Arznei-Telegr., Dez. 2015; 46(12): 119–21.

2.   Eichler H-G et al. From adaptive licensing to adaptive pathways: Delivering a flexible life-span approach to bring new drugs to patients. Clin Pharmacol Ther. 2015; 97(3): 234–46.

3.   Eichler H-G et al. Adaptive Licensing: Taking the Next Step in the Evolution of Drug Approval. Clin Pharmacol Ther. 2012; 91(3): 426–37.

4.   European Medicines Agency. Human regulatory – Adaptive pathways. http://www.ema.europa.eu/ema/index.jsp?curl=pages/regulation/general/general_content_000601.jsp

5.   HAI, ISDB, MiEF. “Adaptive licensing” or “adaptive pathways”: Deregulation under the guise of earlier access. Joint Briefing Paper. Okt. 2015.  http://english.prescrire.org/en/79/207/46302/4548/4089/SubReportDetails.aspx

 

2016