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  • Susi Bonk, Laudatio von Niklas Schurig

MEZIS-Award: Das goldene Zäpfchen 2024 geht an …

Am Abend des Freitags, den fast 13. April, wird es sehr dunkel und schaurig in einem Teil von Hannover, und eines der schrecklichsten Ereignisse des Jahres wirft seinen Schatten über das Haus Clemens … die Musik spielt „Conquest of Paradise“… die Nummerngirls schreiten durch den Saal und Graf Drakunikus trägt den Award mit viel Fingerspitzengefühl herein …

… und dann beginnt Lex Pharma-Schurig mit seiner Laudatio:

Laudatio zum MEZIS-Award 2024, Hannover, 13.04.2024

Sehr geehrtes Publikum,

ich darf Sie zur Verleihung unseres MEZISAwards 2024 hier in Hannover herzlich begrüßen. Unser Negativ-Preis, das „Goldene Zäpfchen“ zeichnet besonders auffällige, dreiste, erschreckende, geschmacklose, vielleicht auch besonders gelungene subtile oder clevere Beispiele von Einflussnahme und Profitstreben im Gesundheitswesen aus.

2022 kürten wir noch drei Preisträger in drei Kategorien:

  • Das war Esanum als „Sponsor maximus“,
  • in der Kategorie: „Lobbyarbeit summa cum laude“ der Verband forschender Arzneimittelhersteller und
  • das Medikament Xarelto als „Blockbuster supreme“.

Heute wird es nur EINEN Preisträger geben, aber er besticht mit Bestnoten in allen drei Kategorien. Aber nun zur Laudatio: Die via WebEx absolut geheim tagende Jury hatte auch dieses Jahr eine große Auswahl würdiger Kandidaten zu begutachten, hier nur ein Auszug aus der Shortlist:

  • Mit dem Medikament Opzelura gegen Vitiligo bringt die Firma Incyte nur überdimensionierte 100g-Packungen für jeweils schlappe 1000 Euro auf den Markt. Und dies nur mit moderater Wirksamkeit, nicht belegter Verbesserung der Lebensqualität, fehlenden Vergleichen mit anderen Behandlungsmethoden sowie häufigen unerwünschten systemischen Ereignissen und unklaren Langzeitrisiken.
  • Der Jury fiel es schwer, dieses Jahr nicht GlaxoSmithKline zu ehren, die mit ihren Impfwerbungen gegen Meningokokken und Herpes Zoster an jeder Bushaltestelle angstauslösende und illegale Laienwerbung auf die damit offensichtlich überforderte Bevölkerung abfeuern.
  • Auch auf der Shortlist war das Werbeportal „Streamed-up“, das sich selbst als ärztliches Fortbildungsportal rühmt, sich aber von sage und schreibe 87 Pharmafirmen bezahlen lässt.
  • Etwas „late to the party“, aber sicherlich ein heißer Kandidat: Karl Lauterbach. Hier im Bild hilft er mal nicht nur mit seinen maßgeschneiderten Lobbygesetzen seinen Spezis von Eli Lilly, sondern baut gleich persönlich mit Olaf deren neue Spritzenfabrik.
  • Green Gums, mein Geheim-Favorit, einfach weil die Bildsprache überwältigend ist, hat es leider auch nicht geschafft.

Aber nun zu unserem Preisträger: Er erblickte schon vor 12 Jahren das Licht der Fachöffentlichkeit. Wohl die meisten der niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen – inklusive mir – kennen und nutzen schon länger die Vorteile unseres Preisträgers bei der Behandlung ihrer Patientinnen und Patienten.

Richtig ins Rampenlicht wurde er aber erst 2021 gezerrt, als er in den Vereinigten Staaten und ein Jahr später bereits in der EU von den Zulassungsbehörden für ein weiteres, noch lukrativeres Anwendungsgebiet zugelassen wurde. Dieser Erfolg hat den Hersteller unseres diesjährigen Gewinners vor Kurzem zum Konzern mit dem höchsten Börsenwert in Europa gemacht: Der Aktienkurs verdoppelte sich innerhalb von nur zwei Jahren!

Geschafft hat dies der Konzern durch eine brillant orchestrierte PR-Kampagne: Auf allen Kanälen wurde unser Preisträger als „Gamechanger“ gefeiert, selbst Promis wie der Tesla- Chef Elon Musk oder das Supermodel Kim Kardashian waren voll des Lobes.

Dieser Siegeszug war jedoch kein Selbstläufer – unter Anderem weil die Wirkung weitestgehend verpufft, sobald man das Medikament wieder absetzt. Die Firma musste also Sponsoring und Lobbyismus in großem Umfang möglichst subtil einsetzen – zumal das Produkt in Deutschland ca. 300 Euro pro Monat kostet und in den USA sogar 1350 Dollar pro Monat.

Unsere Jury war überaus erfreut, das gesamte Arsenal an Pharmawerbung an diesem Fall wieder bewundern zu dürfen:

  • Gleich ganze Fachgesellschaften wie die Deutsche Adipositas Gesellschaft wurden mit Großspenden einfach eingekauft.
  • Bezahlte Redner, die Crème de la Crème der deutschen Adipositas- und Diabetesspezialisten, alle auf der Gehaltsliste der Firma, tourten durch Talkshows, Nachrichtensender, die Regenbogenpresse, soziale Medien und ärztliche Fortbildungsveranstaltungen und priesen das Präparat gebührend an.
  • Lobbydruck auf allen Ebenen: Neben Lauterbachs Gesetzen dürfte der Druck auf den Gemeinsamen Bundesausschuss zur Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen auch durch (ebenfalls mit Spenden großzügig bedachte) Selbsthilfegruppen und „Experten“ in den Anhörungen noch weiter steigen.
  • Es ist zudem eine wunderbare Fügung, dass die relevante ärztliche Behandlungsleitlinie just dieses Jahr aktualisiert wird … leider hatten schon bei der letzten Auflage mehr als die Hälfte der Autoren relevante Interessenkonflikte.

Doch zurück zu unserem Preisträger: Da das Unternehmen offensichtlich den Hals nicht voll bekommt, wurde die Intensität der Werbekampagne selbst dann nicht reduziert, als weltweite Lieferengpässe für die vorbestehenden Einsatzzwecke bei Diabetes offensichtlich wurden. Die Folgen verschlechterter Diabeteseinstellungen, vollkommen verängstigter und zu Recht wütender Patientinnen und Patienten scheinen die Firma jedoch angesichts der exzellenten Verkaufsprognosen kalt zu lassen. Vielleicht aber auch, weil mit Mounjaro ein Pharma-Konkurrent bereits den nächsten Blockbuster mit noch stärkerer Wirkung auf den Markt geworfen hat.

Und das alles – wohlgemerkt (!) – ohne, dass man ärztlicherseits ausreichendes Wissen dazu hätte, was passieren wird, wenn diese Medikamentenklasse millionenfach, insbesondere bei Jüngeren über eine längere Zeit angewendet wird.

Während die Aktionäre und Aktionärinnen ihre fetten Aktiengewinne bereits sicher beim Konkurrenten reinvestiert haben dürften, werden wir so als Gesellschaft in ein weiteres, teures Riesenexperiment gezwungen – obwohl die leider umfangreiche Datenlage aus Jahrzehnte langen Erfahrungen zeigt, dass keines der Dutzenden von Abnehm-Medikamenten bislang irgendeinen längerfristigen patientenrelevanten Nutzen gehabt hätte.

Mein sehr verehrtes Publikum: Das Goldene Zäpfchen geht 2024 an die Firma NovoNordisk mit ihrem Präparat Wegovy.

Herzlichen Glückwunsch.

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