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Schlagwörter: Lobbyarbeit, Pharmafirmen
Lobbywalk
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Rolf Blaga, Transparency International Deutschland;
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Sabine Hensold, MEZIS;
Im Rahmen der MEZIS Jahrestagung (17.-18.5.2025) führte uns Rolf Blaga von Transparency International Deutschland, AG Medizin und Gesundheit, auf dem von ihm konzipierten Lobbywalk „Gesundheit & Pharma“ durch das Berliner Regierungsviertel.
Auf dem pharmakritischen Stadtspaziergang liefen wir zu 15 Standorten von Pharmaunternehmen sowie Institutionen, die im Bereich Gesundheitspolitik und Arzneimittelregulierung tätig sind. Die rund zweistündige Tour startete am Washingtonplatz am Berliner Hauptbahnhof. Rolf Blaga erklärte anhand von aktuellen Beispielen, wie Organisationen enge Kontakte zur Politik pflegen, Millionenbeträge in Lobbyarbeit investieren und dabei ihre wirtschaftlichen Ziele, die innerhalb unseres öffentlich finanzierten Gesundheitssystems erfüllt werden, verfolgen. Spitzenreiter war der Verband Pro Generika mit über 2 Millionen Euro im Jahr 2023.
Wir hinterfragen Lobbyismus, weil es um Versuche der Einflussnahme geht – hier, bei unserem Lobbywalk, auf höchster Ebene der deutschen Gesetzgebung. Und je mehr Geld Lobbyisten haben, desto eher sind sie in der Lage, ihre Interessen zu vertreten. Zu den Merkmalen des Lobbyismus zählt, dass die beeinflussten Personen Geld, Machtgewinn, Absicherung oder Selbstwerterhöhung anstreben. Die Wirtschaftslobby beschäftigt viele ausgebildete Mitarbeiter:innen und erhält direkten Zugang zu hochrangigen Entscheidungstragenden. Sie kontaktiert Menschen gezielt und bietet angenehme Situationen, ohne eine Gegenleistung direkt zu fordern. Die Gegenleistung ergibt sich von selbst, wenn erst ein freundliches und vertrauensvolles Verhältnis aufgebaut ist. Bezahlten Politiker:innen wird etwas angeboten oder in Aussicht gestellt, und diese nutzen ihre Stellung oder Kontakte, um den entsprechenden Vorgang zu beeinflussen oder zu verhindern. Der Erfolg von Gesetzen wird stärker von der Wirtschafts- oder „Profit“-Lobby als von gewählten Abgeordneten bestimmt [1][2].
Was uns bei dem Spaziergang besonders auffiel: Fast alle offiziellen Lobbyvertretungen der Pharmafirmen sind äußerlich unscheinbar. So ist zum Beispiel der deutsche Hauptsitz des Pharmakonzerns Pfizer nur durch einen Streifen am Klingelschild zu identifizieren. Er befindet sich jedoch in einem Gebäude, das direkt an das Bundesgesundheitsministerium angrenzt.
Wir finden: Mehr Transparenz und Regulierung sind bei Lobbyismus dringend nötig.

Die Karte zeigt die einzelnen Stationen, die wir im Rahmen des Lobbywalks abliefen. Die Informationen zu den einzelnen Station erscheinen beim Anklicken der Zahlen.
Merck Sharp & Dohme (MSD)
Das international tätige Pharmaunternehmen, das mit Blockbustern wie Keytruda (Krebs), Gardasil (HPV-Impfstoffen), Januvia/Janumat (Diabetes) und ProQuad (Kombinationsimpfstoff) große Umsätze erzielt, investiert jährlich mehrere Hunderttausend Euro in Lobbyarbeit. Damit soll unter anderem erreicht werden, dass EU-weit „innovative“ Arzneimittel einfacher zugelassen werden. In der Vergangenheit war MSD in mehrere Skandale verwickelt: Der größte betraf das Schmerzmittel Vioxx, das wegen erhöhter Risiken für Herzinfarkt und Schlaganfall vom Markt genommen wurde. MSD wurde vorgeworfen, Risiken verschwiegen und Studien manipuliert zu haben, was zu Milliardenstrafen führte.
Novartis
Novartis zählt mit Medikamenten wie Entresto (Herz-Kreislauf), Cosentyx (Psoriasis), Zolgensma (Gentherapie), Kisqali (Brustkrebs) und weiteren zu den weltweit führenden Pharmakonzernen und investiert jährlich Millionenbeträge in Lobbyarbeit, wobei die Ausgaben zuletzt deutlich gestiegen sind. Im Jahr 2023 wendete Novartis Pharma 650.000 Euro für Interessenvertretung auf. Auf EU-Ebene waren es 1,9 Millionen Euro im Jahr 2024. Weltweit gab es mehrfach Skandale, unter anderem aufgrund von massiven Korruptionsvorwürfen in Griechenland mit mutmaßlichen Schmiergeldzahlungen an Politiker:innen, Beamt:innen und Ärzt:innen, um Marktvorteile und höhere Preise zu sichern. Zudem gab es ethisch fragwürdige Medikamententests an Obdachlosen in Polen, Verstöße gegen die Arzneimittelsicherheit in Japan und den USA, darunter Datenmanipulation beim Blutdrucksenker Diovan und beim Gentherapeutikum Zolgensma. In den USA musste Novartis Millionenstrafen wegen Bestechung zahlen. Umstritten war zudem die Verlosung des teuren, noch nicht zugelassenen Medikaments Zolgensma an einzelne Kinder, was als Druckmittel auf Krankenkassen gesehen wurde.
GKV-Spitzenverband
Weiter ging es zum GKV-Spitzenverband in die Reinhardtstraße. Der GKV-Spitzenverband ist die zentrale Interessenvertretung der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen in Deutschland sowie auf europäischer und internationaler Ebene. Als „Körperschaft des öffentlichen Rechts“ muss er laut Lobbyregistergesetz nicht im Lobbyregister erscheinen, obwohl er Parlamente und Ministerien in Gesetzgebungsverfahren berät und wichtige Verträge im Gesundheitswesen abschließt. Skandale sind nicht bekannt. Aber es gibt Diskussionen darüber, ob die Krankenkassen nicht zu viel Einfluss im Bundesgesundheitsministerium ausüben, weil viele ihrer ehemaligen Mitarbeiter:innen dorthin gewechselt haben. Der Verband spielt zudem eine führende Rolle bei der Aufdeckung und Bekämpfung von Betrug im Gesundheitswesen.
Pfizer
Pfizer zählt zu den weltweit führenden Pharmaunternehmen und ist insbesondere für seine Blockbuster-Medikamente wie Eliquis (Blutgerinnungshemmer), Comirnaty (Covid-19-Impfstoff), Paxlovid (Covid-19 Therapie) oder Xtandi (Prostatakrebs) bekannt. Das Unternehmen engagiert sich intensiv in der Interessenvertretung, z. B. für pharmafreundliche Regelungen zur Erstattung extrem teurer Genpräparate, für die Beibehaltung des Patentschutzes und für den freien Zugang der Industrie zu Patientendaten. Die Ausgaben für Lobbyarbeit stiegen in den letzten Jahren deutlich an, insbesondere auf EU-Ebene (2024 bis 1,5 Millionen Euro). Für Kritik sorgten Medikamententests an Kindern in Nigeria, Korruptionsvorwürfe und mangelnde Transparenz bei Vertragsabschlüssen, insbesondere im Zusammenhang mit Covid-19-Impfstoffen. Trotz wiederholter Vorwürfe bestreitet Pfizer vielfach ein Fehlverhalten, hat jedoch mehrfach hohe Vergleichszahlungen geleistet.
Pharma Deutschland e.V.
Pharma Deutschland e.V. ist ein bedeutender Branchenverband mit rund 400 Mitgliedern aus dem gesamten Gesundheitsbereich, darunter zahlreiche Arzneimittelhersteller wie Bayer, AstraZeneca, Boehringer Ingelheim oder Sanofi, aber auch Apotheker:innen, Rechtsanwält:innen, Verlage und Marktforschungsinstitute. Der Verband greift die Forderungen seiner Mitgliedsunternehmen auf. Darunter fällt auch, dass er sich gegen zusätzliche Umweltauflagen für die Pharmaindustrie wendet. Aktuell kritisiert Pharma Deutschland die EU-Regelung, nach der die Industrie zu 80 Prozent die aufwendige Beseitigung von Medikamentenresten in einer vierten Stufe der Abwasserreinigung finanzieren soll. Die Ausgaben für Lobbyarbeit beliefen sich 2023 auf bis zu 1,1 Millionen Euro in Berlin und 300.000 Euro in Brüssel.
Bundesverband Medizintechnologie (BVMed)
Der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) vertritt rund 324 Unternehmen aus der Medizintechnikbranche, darunter Hersteller, Zulieferer, Händler und Homecare-Versorger wie B. Braun oder Carl Zeiss Meditec. Die Lobbyaufwendungen lagen 2023 bei bis zu 500.000 Euro in Berlin und 200.000 Euro in Brüssel. BVMed setzt sich unter anderem für die Abschaffung der Regelung ein, dass Medizinprodukte alle fünf Jahre neu zertifiziert werden müssen. Der Verband fordert außerdem, Innovationen, Orphan Devices (Geräte) und Diagnostics schneller und vereinfacht zuzulassen. Heftig kritisiert wurde der BVMed, weil er 2008 eine PR-Agentur beauftragte, eine von betroffenen Selbsthilfegruppen (Apnoe-„Schnarcher“) getragene Protestbewegung gegen eine bevorstehende Neuregelung der Hilfsmittelausschreibungen durch die Krankenkassen ins Leben zu rufen.
Der BVMed positioniert sich als Vorreiter für Compliance und Transparenz in der Branche.
Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI)
Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) vertritt rund 260 Pharma- und Biotechunternehmen in Deutschland, darunter namhafte Firmen wie AstraZeneca, Novartis und Fraunhofer-Gesellschaft. Die Lobbyaufwendungen lagen 2023 bei bis zu 1,8 Mio. Euro in Berlin und auf EU-Ebene bei 200.000 Euro. Der BPI setzt sich für eine angemessene Honorierung klinischer Forschung, flexible Preisbildung, Bürokratieabbau, die Sicherstellung der Versorgung mit Orphan Drugs und den Erhalt homöopathischer Arzneimittel als Satzungsleistungen ein. Zudem spricht er sich gegen zusätzliche Rabatte und Ausschreibungen bei kritischen Arzneimitteln aus. Der Verband war über sein Mitglied Grünenthal vom Contergan-Skandal betroffen und setzte sich daraufhin für ein strengeres Arzneimittelrecht ein. 1993 kam es zu einer Spaltung des BPI, als große forschende Unternehmen austraten und den vfa gründeten.
Fresenius
Die Fresenius-Gruppe umfasst die Unternehmensbereiche Fresenius Kabi und Fresenius Helios sowie Beteiligungen an Fresenius Medical Care und Fresenius Vamed. Das Unternehmen ist führend in den Bereichen Ernährungslösungen, Infusionstechnologien, Dialyseprodukte und betreibt zahlreiche Krankenhäuser und Dialysezentren, insbesondere in Deutschland und Spanien. Die Lobbyaufwendungen lagen in den letzten Jahren bei mehreren Hunderttausend Euro sowohl in Deutschland als auch in Brüssel. Im Fokus der Interessenvertretung stehen unter anderem der Leistungsanspruch auf Therapieberatung und die Anbindung von Hilfsmittel-Herstellern an die Telematikinfrastruktur. Fresenius war in den vergangenen Jahren mehrfach in Skandale verwickelt, darunter internationale Korruptions- und Kartellfälle, Abrechnungsbetrug, Arbeitsrechtsverletzungen, aktuelle Streiks sowie Vorwürfe der Steuervermeidung.
Novo Nordisk
Novo Nordisk ist ein führender Hersteller von Diabetes- und Adipositasmedikamenten (Ozempic, Wegovy). Das Unternehmen investiert stark in Lobbyarbeit, insbesondere auf EU-Ebene, und setzt sich unter anderem für die Abschaffung einschränkender Erstattungspreisregulierungen, den Erhalt des Patentschutzes und die Erstattungsfähigkeit von Adipositas-Medikamenten ein. Novo Nordisk sieht sich aktuell mit mehreren Skandalen konfrontiert, darunter Sammelklagen wegen schwerer Nebenwirkungen seiner Medikamente, Vorwürfe der Einflussnahme auf Fachgesellschaften und Ärzt:innen, Korruptionsverdacht in China, Rechtsstreitigkeiten sowie Diskussionen um politische Einflussnahme in Dänemark.
GlaxoSmithKline (GSK)
GlaxoSmithKline (GSK) ist ein international führendes Pharmaunternehmen mit Blockbustern wie Shingrix (Impfstoff gegen Gürtelrose), Arexvy (Impfstoff gegen RSV) und verschiedenen HIV-Therapien. Das Unternehmen investiert stark in Lobbyarbeit, insbesondere für bessere Rahmenbedingungen bei klinischen Studien, Patentschutz und flexiblere Zulassungsverfahren. GSK kritisiert beispielsweise, dass Präparate von der Erstattung ausgeschlossen werden können, wenn die Krankenkassen deren Nutzen als fraglich und den Preis als zu hoch bewerten. Außerdem fordert das Unternehmen die erleichterte Zulassungsbedingungen für Orphan Drugs ohne Zusatznutzennachweis. GSK war in den letzten Jahren mehrfach in Skandale verwickelt, darunter die illegale Vermarktung, Verschweigen von Risiken, Korruption und Interessenkonflikte, was zu hohen Geldstrafen und Reputationsverlust führte.
Pro Generika
Pro Generika ist der Verband der Generikahersteller in Deutschland und vertritt 15 Mitgliedsunternehmen, darunter Hexal, Teva und Fresenius Kabi. Die Lobbyaufwendungen lagen 2023 bei bis zu 2,16 Mio. Euro. Pro Generika setzt sich unter anderem dafür ein, dass Patente regelmäßig auf ihre Gültigkeit überprüft werden. Damit sollen juristische Auseinandersetzungen verhindert werden, die oft die Einführung von Generika verzögern. Der Verband will, dass bei Ausschreibungen für Generika/Biosimilars mehr Kriterien gelten als nur der „billigste Preis“. Außerdem fordert er ein Auskunftsrecht bei vertraulichen Erstattungspreisen patentgeschützter Originale.
AbbVie
AbbVie ist ein globales Biopharmaunternehmen mit Blockbustern wie Humira (rheumatische Arthritis, Morbus Crohn, Psoriasis) und Botox, das 2024 allein in Deutschland bis zu 940.000 Euro für Lobbyarbeit aufwendet. Das Unternehmen setzt sich politisch unter anderem für die Revision von Preisregulierungen, bessere Rahmenbedingungen für klinische Studien, einen erleichterten Zugang zu Gesundheitsdaten, weniger Bürokratie und den Erhalt von Patentschutz ein. AbbVie fordert zudem Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel und spricht sich für praxistaugliche Umweltauflagen aus. AbbVie engagiert sich auch dafür, Evidenzkriterien für neue Medikamente abzumildern, wenn sie nur eine eng begrenzte Patientengruppe betreffen. Darüber hinaus erwartet AbbVie, dass die „Ewigkeitschemikalien“ (Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen PAFS) weiterhin für die Herstellung und Verpackung von Arzneimitteln verwendet werden dürfen – wenn es keine Alternative dafür gibt.
Boehringer Ingelheim
Boehringer Ingelheim ist Deutschlands größter Pharmakonzern und international erfolgreich mit Blockbustern wie Jardiance (Typ-2-Diabetes, Herzinsuffizienz, chronische Nierenerkrankung), Pradaxa (Gerinnungshemmer) und Spiriva (COPD, Asthma). Das Unternehmen investiert in Forschung und Entwicklung und fordert beispielsweise, dass Tierversuche aus Wettbewerbsgründen einfacher zu genehmigen sind. Außerdem ist der Pharmakonzern dagegen, die „Marktexklusivität“ für Orphan Drugs von bisher zehn Jahren zu verkürzen. Boehringer Ingelheim war in der Vergangenheit in mehrere Skandale verwickelt, darunter ein schwerer Umweltskandal (Dioxin in Hamburg), illegale Preisabsprachen, Vorwürfe zu Patentmissbrauch und Kritik an der Vermarktung und Sicherheit von Medikamenten.
Eli Lilly
Eli Lilly ist ein weltweit führender Pharmakonzern mit Blockbustern wie Mounjaro (Typ-2-Diabetes, Adipositas), Verzenio (Brustkrebs) und Taltz (Autoimmunerkrankungen, Psoriasis). Das Unternehmen investiert stark in Lobbyarbeit. Gegenwärtig steht der Vorwurf im Raum, eine Gesetzesregelung („Lex Lilly“) zu eigenen Gunsten durchgesetzt zu haben: Demnach solle der Bau einer Produktionsstätte in Deutschland von der Möglichkeit abhängig gemacht worden sein, vertrauliche Erstattungspreise auszuhandeln. Im Juli 2025 beantragte Eli Lilly diesen Vorteil der Geheimhaltung des Krankenkassen-Erstattungsbetrages für sein Diabetes-Präparat Mounjaro, so dass die nicht erstattungsfähige und privat zu bezahlende Mounjaro-Abnehmspritze zu einem anderen Preis angeboten werden kann. Zudem wird das Unternehmen regelmäßig wegen seiner Preispolitik bei Insulin kritisiert.
Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa)
Der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa) vertritt die Interessen der forschenden Pharmaindustrie in Deutschland und investierte 2023 rund 4,43 Millionen Euro in Lobbyarbeit. Der vfa setzt sich für innovationsfreundliche Rahmenbedingungen, starken Patent- und Markenschutz, weniger Bürokratie, flexible Preisbildung und bessere Versorgung mit innovativen Medikamenten ein. Er fordert beispielsweise die Anpassung nationaler Regelungen an EU-Standards, den Erhalt von Schutzfristen, Anreize für Forschung und eine Stärkung der Dateninfrastruktur. Der Verband vertritt alle schon genannten Forderungen seiner 14 Mitglieder. Dazu gehört beispielsweise auch, dass Original-Biologika nicht automatisch durch Biosimilars ersetzt werden sollten. Außerdem wendet er sich gegen verpflichtende Verhandlungen über Zwangslizenzen für Impfstoffe im Pandemiefall und fordert Steuererleichterungen für Pharmaproduzenten. Kritisiert wird der vfa regelmäßig wegen seines starken politischen Einflusses, mangelnder Transparenz bei Studien und Zahlungen sowie möglicher Interessenkonflikte durch den Wechsel von Politiker:innen in den Verband.
Merck Sharp & Dohme (MSD)
Das international tätige Pharmaunternehmen, das mit Blockbustern wie Keytruda (Krebs), Gardasil (HPV-Impfstoffen), Januvia/Janumat (Diabetes) und ProQuad (Kombinationsimpfstoff) große Umsätze erzielt, investiert jährlich mehrere Hunderttausend Euro in Lobbyarbeit. Damit soll unter anderem erreicht werden, dass EU-weit „innovative“ Arzneimittel einfacher zugelassen werden. In der Vergangenheit war MSD in mehrere Skandale verwickelt: Der größte betraf das Schmerzmittel Vioxx, das wegen erhöhter Risiken für Herzinfarkt und Schlaganfall vom Markt genommen wurde. MSD wurde vorgeworfen, Risiken verschwiegen und Studien manipuliert zu haben, was zu Milliardenstrafen führte.
Novartis
Novartis zählt mit Medikamenten wie Entresto (Herz-Kreislauf), Cosentyx (Psoriasis), Zolgensma (Gentherapie), Kisqali (Brustkrebs) und weiteren zu den weltweit führenden Pharmakonzernen und investiert jährlich Millionenbeträge in Lobbyarbeit, wobei die Ausgaben zuletzt deutlich gestiegen sind. Im Jahr 2023 wendete Novartis Pharma 650.000 Euro für Interessenvertretung auf. Auf EU-Ebene waren es 1,9 Millionen Euro im Jahr 2024. Weltweit gab es mehrfach Skandale, unter anderem aufgrund von massiven Korruptionsvorwürfen in Griechenland mit mutmaßlichen Schmiergeldzahlungen an Politiker:innen, Beamt:innen und Ärzt:innen, um Marktvorteile und höhere Preise zu sichern. Zudem gab es ethisch fragwürdige Medikamententests an Obdachlosen in Polen, Verstöße gegen die Arzneimittelsicherheit in Japan und den USA, darunter Datenmanipulation beim Blutdrucksenker Diovan und beim Gentherapeutikum Zolgensma. In den USA musste Novartis Millionenstrafen wegen Bestechung zahlen. Umstritten war zudem die Verlosung des teuren, noch nicht zugelassenen Medikaments Zolgensma an einzelne Kinder, was als Druckmittel auf Krankenkassen gesehen wurde.
GKV-Spitzenverband
Weiter ging es zum GKV-Spitzenverband in die Reinhardtstraße. Der GKV-Spitzenverband ist die zentrale Interessenvertretung der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen in Deutschland sowie auf europäischer und internationaler Ebene. Als „Körperschaft des öffentlichen Rechts“ muss er laut Lobbyregistergesetz nicht im Lobbyregister erscheinen, obwohl er Parlamente und Ministerien in Gesetzgebungsverfahren berät und wichtige Verträge im Gesundheitswesen abschließt. Skandale sind nicht bekannt. Aber es gibt Diskussionen darüber, ob die Krankenkassen nicht zu viel Einfluss im Bundesgesundheitsministerium ausüben, weil viele ihrer ehemaligen Mitarbeiter:innen dorthin gewechselt haben. Der Verband spielt zudem eine führende Rolle bei der Aufdeckung und Bekämpfung von Betrug im Gesundheitswesen.
Pfizer
Pfizer zählt zu den weltweit führenden Pharmaunternehmen und ist insbesondere für seine Blockbuster-Medikamente wie Eliquis (Blutgerinnungshemmer), Comirnaty (Covid-19-Impfstoff), Paxlovid (Covid-19 Therapie) oder Xtandi (Prostatakrebs) bekannt. Das Unternehmen engagiert sich intensiv in der Interessenvertretung, z. B. für pharmafreundliche Regelungen zur Erstattung extrem teurer Genpräparate, für die Beibehaltung des Patentschutzes und für den freien Zugang der Industrie zu Patientendaten. Die Ausgaben für Lobbyarbeit stiegen in den letzten Jahren deutlich an, insbesondere auf EU-Ebene (2024 bis 1,5 Millionen Euro). Für Kritik sorgten Medikamententests an Kindern in Nigeria, Korruptionsvorwürfe und mangelnde Transparenz bei Vertragsabschlüssen, insbesondere im Zusammenhang mit Covid-19-Impfstoffen. Trotz wiederholter Vorwürfe bestreitet Pfizer vielfach ein Fehlverhalten, hat jedoch mehrfach hohe Vergleichszahlungen geleistet.
Pharma Deutschland e.V.
Pharma Deutschland e.V. ist ein bedeutender Branchenverband mit rund 400 Mitgliedern aus dem gesamten Gesundheitsbereich, darunter zahlreiche Arzneimittelhersteller wie Bayer, AstraZeneca, Boehringer Ingelheim oder Sanofi, aber auch Apotheker:innen, Rechtsanwält:innen, Verlage und Marktforschungsinstitute. Der Verband greift die Forderungen seiner Mitgliedsunternehmen auf. Darunter fällt auch, dass er sich gegen zusätzliche Umweltauflagen für die Pharmaindustrie wendet. Aktuell kritisiert Pharma Deutschland die EU-Regelung, nach der die Industrie zu 80 Prozent die aufwendige Beseitigung von Medikamentenresten in einer vierten Stufe der Abwasserreinigung finanzieren soll. Die Ausgaben für Lobbyarbeit beliefen sich 2023 auf bis zu 1,1 Millionen Euro in Berlin und 300.000 Euro in Brüssel.
Bundesverband Medizintechnologie (BVMed)
Der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) vertritt rund 324 Unternehmen aus der Medizintechnikbranche, darunter Hersteller, Zulieferer, Händler und Homecare-Versorger wie B. Braun oder Carl Zeiss Meditec. Die Lobbyaufwendungen lagen 2023 bei bis zu 500.000 Euro in Berlin und 200.000 Euro in Brüssel. BVMed setzt sich unter anderem für die Abschaffung der Regelung ein, dass Medizinprodukte alle fünf Jahre neu zertifiziert werden müssen. Der Verband fordert außerdem, Innovationen, Orphan Devices (Geräte) und Diagnostics schneller und vereinfacht zuzulassen. Heftig kritisiert wurde der BVMed, weil er 2008 eine PR-Agentur beauftragte, eine von betroffenen Selbsthilfegruppen (Apnoe-„Schnarcher“) getragene Protestbewegung gegen eine bevorstehende Neuregelung der Hilfsmittelausschreibungen durch die Krankenkassen ins Leben zu rufen.
Der BVMed positioniert sich als Vorreiter für Compliance und Transparenz in der Branche.
Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI)
Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) vertritt rund 260 Pharma- und Biotechunternehmen in Deutschland, darunter namhafte Firmen wie AstraZeneca, Novartis und Fraunhofer-Gesellschaft. Die Lobbyaufwendungen lagen 2023 bei bis zu 1,8 Mio. Euro in Berlin und auf EU-Ebene bei 200.000 Euro. Der BPI setzt sich für eine angemessene Honorierung klinischer Forschung, flexible Preisbildung, Bürokratieabbau, die Sicherstellung der Versorgung mit Orphan Drugs und den Erhalt homöopathischer Arzneimittel als Satzungsleistungen ein. Zudem spricht er sich gegen zusätzliche Rabatte und Ausschreibungen bei kritischen Arzneimitteln aus. Der Verband war über sein Mitglied Grünenthal vom Contergan-Skandal betroffen und setzte sich daraufhin für ein strengeres Arzneimittelrecht ein. 1993 kam es zu einer Spaltung des BPI, als große forschende Unternehmen austraten und den vfa gründeten.
Fresenius
Die Fresenius-Gruppe umfasst die Unternehmensbereiche Fresenius Kabi und Fresenius Helios sowie Beteiligungen an Fresenius Medical Care und Fresenius Vamed. Das Unternehmen ist führend in den Bereichen Ernährungslösungen, Infusionstechnologien, Dialyseprodukte und betreibt zahlreiche Krankenhäuser und Dialysezentren, insbesondere in Deutschland und Spanien. Die Lobbyaufwendungen lagen in den letzten Jahren bei mehreren Hunderttausend Euro sowohl in Deutschland als auch in Brüssel. Im Fokus der Interessenvertretung stehen unter anderem der Leistungsanspruch auf Therapieberatung und die Anbindung von Hilfsmittel-Herstellern an die Telematikinfrastruktur. Fresenius war in den vergangenen Jahren mehrfach in Skandale verwickelt, darunter internationale Korruptions- und Kartellfälle, Abrechnungsbetrug, Arbeitsrechtsverletzungen, aktuelle Streiks sowie Vorwürfe der Steuervermeidung.
Novo Nordisk
Novo Nordisk ist ein führender Hersteller von Diabetes- und Adipositasmedikamenten (Ozempic, Wegovy). Das Unternehmen investiert stark in Lobbyarbeit, insbesondere auf EU-Ebene, und setzt sich unter anderem für die Abschaffung einschränkender Erstattungspreisregulierungen, den Erhalt des Patentschutzes und die Erstattungsfähigkeit von Adipositas-Medikamenten ein. Novo Nordisk sieht sich aktuell mit mehreren Skandalen konfrontiert, darunter Sammelklagen wegen schwerer Nebenwirkungen seiner Medikamente, Vorwürfe der Einflussnahme auf Fachgesellschaften und Ärzt:innen, Korruptionsverdacht in China, Rechtsstreitigkeiten sowie Diskussionen um politische Einflussnahme in Dänemark.
GlaxoSmithKline (GSK)
GlaxoSmithKline (GSK) ist ein international führendes Pharmaunternehmen mit Blockbustern wie Shingrix (Impfstoff gegen Gürtelrose), Arexvy (Impfstoff gegen RSV) und verschiedenen HIV-Therapien. Das Unternehmen investiert stark in Lobbyarbeit, insbesondere für bessere Rahmenbedingungen bei klinischen Studien, Patentschutz und flexiblere Zulassungsverfahren. GSK kritisiert beispielsweise, dass Präparate von der Erstattung ausgeschlossen werden können, wenn die Krankenkassen deren Nutzen als fraglich und den Preis als zu hoch bewerten. Außerdem fordert das Unternehmen die erleichterte Zulassungsbedingungen für Orphan Drugs ohne Zusatznutzennachweis. GSK war in den letzten Jahren mehrfach in Skandale verwickelt, darunter die illegale Vermarktung, Verschweigen von Risiken, Korruption und Interessenkonflikte, was zu hohen Geldstrafen und Reputationsverlust führte.
Pro Generika
Pro Generika ist der Verband der Generikahersteller in Deutschland und vertritt 15 Mitgliedsunternehmen, darunter Hexal, Teva und Fresenius Kabi. Die Lobbyaufwendungen lagen 2023 bei bis zu 2,16 Mio. Euro. Pro Generika setzt sich unter anderem dafür ein, dass Patente regelmäßig auf ihre Gültigkeit überprüft werden. Damit sollen juristische Auseinandersetzungen verhindert werden, die oft die Einführung von Generika verzögern. Der Verband will, dass bei Ausschreibungen für Generika/Biosimilars mehr Kriterien gelten als nur der „billigste Preis“. Außerdem fordert er ein Auskunftsrecht bei vertraulichen Erstattungspreisen patentgeschützter Originale.
AbbVie
AbbVie ist ein globales Biopharmaunternehmen mit Blockbustern wie Humira (rheumatische Arthritis, Morbus Crohn, Psoriasis) und Botox, das 2024 allein in Deutschland bis zu 940.000 Euro für Lobbyarbeit aufwendet. Das Unternehmen setzt sich politisch unter anderem für die Revision von Preisregulierungen, bessere Rahmenbedingungen für klinische Studien, einen erleichterten Zugang zu Gesundheitsdaten, weniger Bürokratie und den Erhalt von Patentschutz ein. AbbVie fordert zudem Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel und spricht sich für praxistaugliche Umweltauflagen aus. AbbVie engagiert sich auch dafür, Evidenzkriterien für neue Medikamente abzumildern, wenn sie nur eine eng begrenzte Patientengruppe betreffen. Darüber hinaus erwartet AbbVie, dass die „Ewigkeitschemikalien“ (Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen PAFS) weiterhin für die Herstellung und Verpackung von Arzneimitteln verwendet werden dürfen – wenn es keine Alternative dafür gibt.
Boehringer Ingelheim
Boehringer Ingelheim ist Deutschlands größter Pharmakonzern und international erfolgreich mit Blockbustern wie Jardiance (Typ-2-Diabetes, Herzinsuffizienz, chronische Nierenerkrankung), Pradaxa (Gerinnungshemmer) und Spiriva (COPD, Asthma). Das Unternehmen investiert in Forschung und Entwicklung und fordert beispielsweise, dass Tierversuche aus Wettbewerbsgründen einfacher zu genehmigen sind. Außerdem ist der Pharmakonzern dagegen, die „Marktexklusivität“ für Orphan Drugs von bisher zehn Jahren zu verkürzen. Boehringer Ingelheim war in der Vergangenheit in mehrere Skandale verwickelt, darunter ein schwerer Umweltskandal (Dioxin in Hamburg), illegale Preisabsprachen, Vorwürfe zu Patentmissbrauch und Kritik an der Vermarktung und Sicherheit von Medikamenten.
Eli Lilly
Eli Lilly ist ein weltweit führender Pharmakonzern mit Blockbustern wie Mounjaro (Typ-2-Diabetes, Adipositas), Verzenio (Brustkrebs) und Taltz (Autoimmunerkrankungen, Psoriasis). Das Unternehmen investiert stark in Lobbyarbeit. Gegenwärtig steht der Vorwurf im Raum, eine Gesetzesregelung („Lex Lilly“) zu eigenen Gunsten durchgesetzt zu haben: Demnach solle der Bau einer Produktionsstätte in Deutschland von der Möglichkeit abhängig gemacht worden sein, vertrauliche Erstattungspreise auszuhandeln. Im Juli 2025 beantragte Eli Lilly diesen Vorteil der Geheimhaltung des Krankenkassen-Erstattungsbetrages für sein Diabetes-Präparat Mounjaro, so dass die nicht erstattungsfähige und privat zu bezahlende Mounjaro-Abnehmspritze zu einem anderen Preis angeboten werden kann. Zudem wird das Unternehmen regelmäßig wegen seiner Preispolitik bei Insulin kritisiert.
Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa)
Der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa) vertritt die Interessen der forschenden Pharmaindustrie in Deutschland und investierte 2023 rund 4,43 Millionen Euro in Lobbyarbeit. Der vfa setzt sich für innovationsfreundliche Rahmenbedingungen, starken Patent- und Markenschutz, weniger Bürokratie, flexible Preisbildung und bessere Versorgung mit innovativen Medikamenten ein. Er fordert beispielsweise die Anpassung nationaler Regelungen an EU-Standards, den Erhalt von Schutzfristen, Anreize für Forschung und eine Stärkung der Dateninfrastruktur. Der Verband vertritt alle schon genannten Forderungen seiner 14 Mitglieder. Dazu gehört beispielsweise auch, dass Original-Biologika nicht automatisch durch Biosimilars ersetzt werden sollten. Außerdem wendet er sich gegen verpflichtende Verhandlungen über Zwangslizenzen für Impfstoffe im Pandemiefall und fordert Steuererleichterungen für Pharmaproduzenten. Kritisiert wird der vfa regelmäßig wegen seines starken politischen Einflusses, mangelnder Transparenz bei Studien und Zahlungen sowie möglicher Interessenkonflikte durch den Wechsel von Politiker:innen in den Verband.
Autor

Rolf Blaga
Rolf Blaga war lange Berufsschullehrer für (Zahn-) Medizinische Fachangestellte und Pharmazeutisch-Kaufmännische Angestellte. Er gehört zu den Gründern der Alternativen Liste Berlin und Die Grünen. In seiner Zeit als Berliner Bezirksverordneter hat er u. a. ein regionales Gesundheitskonzept entwickelt. Seit 2021 leitet er bei Transparency International Deutschland (TIDE) die AG Medizin und Gesundheit . Er kommt aus der Psoriasis-Selbsthilfe und hat miterlebt, wie Pharmaunternehmen seit Einführung der hochpreisigen Biologika in 2004 Ärzteschaft und Patient:innen systematisch beeinflussen.
Fußnote
- (1) Marco Bülow: Korrumpiert: Wie ich fast korrumpiert wurde und jetzt die Demokratie retten will, ISBN: 978-3-86489-484-8, Westend Verlag GmbH, Neu-Isenburg