
INTEGERAN forte – ein Seminarkonzept zur Verdeutlichung von Manipulation
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Annette Diener, MEZIS;
Was soll das denn sein!? Werbung für ein neues Medikament? Give-aways? Seminar mit Mahlzeit für Studierende? Ist das nicht viel zu viel?
Bei unserem an der Berliner Charité zum ersten Mal in dieser Form durchgeführten Seminarkonzept geht es um das Üben von Perspektivwechseln für Menschen in der Mediziner:innen-Ausbildung zur Verdeutlichung von Manipulation.
Den ersten Herausforderungen stellen sich die Teilnehmenden bereits bei der Ankunft: Sie werden persönlich und freundlich mit Handschlag von adrett gekleideten Seminarleitenden begrüßt, erhalten Give-aways (Schachteln mit Bonbons, MEZIS Kugelschreiber und Werbekarten) und nehmen an einer ersten Fragerunde zum Datensammeln teil, die als Kennenlern-Runde verpackt ist. Anschließend gibt es eine Denkpause, in der der bisherige Ablauf und das eigene Verhalten reflektiert und diskutiert werden. Zudem Input zu Reziprozität, Marketingstrategien und zu der eigenen Aufgeschlossenheit diesem manipulativen Verhalten gegenüber, der eigenen Vulnerabilität. So vorbereitet werden die Teilnehmenden gebeten, sich in Personen in verschiedenen Szenarien hineinzudenken und aus deren Sicht in der Gruppe zu diskutieren. Die Szenarien sind im Krankenhaus und in der Hausarztpraxis platziert. Die Rollen beinhalten z. B. die Auseinandersetzung mit Angeboten und dem auszuhaltenden Druck bei Forschung mit Pharmafirmenbeteiligung, konkret als Chefärztin oder -arzt, Forschungslaborleiter:in, Ärztin/Arzt in Weiterbildung und Key Account Manager:in eines Produktes, oder auch als Hausärztin/-arzt, die/der gerade eine Praxis übernimmt, als Mfa oder Gründer:in einer Selbsthilfegruppe. In der gemeinsamen Diskussion geht es um die Reflexion des eigenen Verhaltens mit der Frage: Würde ich diese Gefälligkeit auch erhalten, wenn ich nicht dieses Amt oder diesen Status innehätte?
Anschließend nehmen wir uns eine Stunde Zeit zum Austauschen und Regenerieren, Essen und Pausieren. Im zweiten Teil bekommen die Teilnehmenden Daten und Fakten zu einem Thema der Gesundheitsversorgung [1] und anschließend Zeit und Raum, um in einer kleineren Gruppe eine innovative Problemlösung zu erarbeiten und ihr Ergebnis im Plenum vorzustellen. Wir tragen die tatsächlichen gelebten Lösungsansätze und die MEZIS Sicht bei und gemeinsam sprechen wir über die Herausforderungen in unserem Gesundheitssystem. Eine Feedbackrunde an uns als Seminarleitende und Organisator:innen schließt die Veranstaltung.
Dieses Konzept nutzt selbst wertschätzendes Verhalten als Manipulationsinstrument (wir verteilen echte MEZIS Werbegeschenke) und versucht es gleichzeitig zu entlarven. Das erfordert viel Selbstreflexion bei den Seminarleitenden und eine klare Haltung: Eine generelle Wertschätzung jeder Person ohne Wertung, Anerkennung der eigenen Bedürfnisse (auch dem nach Wertschätzung) und die Fähigkeit, das eigene Verhalten bewusst wahrzunehmen.
Die Teilnehmenden unseres ersten Seminardurchgangs am 17.5.2025 in Berlin bestätigten uns, dass wir sie zum Nachdenken anregten, und wir haben viel gelernt im Austausch mit der „nächsten Generation“ im Gesundheitssystem. Dieses Konzept ist es wert, wiederholt zu werden.
Ralf Bickeböller entwickelte das Konzept federführend zusammen mit Manja Dannenberg, Niklas Schurig, Annette Diener und Sabine Hensold.

Eingang zu den Seminarräumen

Die Seminarleitenden Ralf Bickeböller, Manja Dannenberg, Niklas Schurig

Reflexionsaufgabe während des Seminars

MEZIS-Karten als Give-aways

Bonbon-Schachtel

Schachtelrückseite
Autorin

Annette Diener
Dr. rer. nat. Annette Diener ist Biologin und seit 2020 angestellte Referentin bei MEZIS. Davor arbeitete sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin in verschiedenen Arbeitsgruppen und (meist medizinischen) Forschungsbereichen.
Fußnote
- (1) Themenbeispiele: 1. Ausgangslage: Die Arzneimittelpreise explodieren. Aufgabe: Erstellt Regeln zur Arzneimittelpreisbildung, um die Kostensteigerung einzudämmen. 2. Ausgangslage: Die Einführung der DRGs hat zu einer Leistungserweiterung durch Fehlanreize geführt. Aufgabe: Das soll mit einem neuen Krankenhausversorgungsgesetz verbessert werden – ihr könnt es ausgestalten! 3. Ausgangslage: Prävention ist wichtig. Aufgabe: Wie würdet ihr ganz praktisch eine Prävention ausgestalten, die Rauchendenentwöhnung und Bewegungssteigerung fördert – aus Sicht einer Krankenkasse?