Deklaration von Hannover: Absichtserklärung zur Reduktion von Medikalisierung, Übertherapie und Pathologisierung (Juli 2024)
Präambel:
Die fortlaufende Entwicklung und Fortschritte im Gesundheitswesen führen zu einer breiten Vielfalt an Diagnostik- und Behandlungsmöglichkeiten. Sie sollen die Lebensqualität verbessern, bergen jedoch die Gefahr einer zunehmenden Medikalisierung, Übertherapie und Pathologisierung alltäglicher menschlicher Erfahrungen.
Im Rahmen unserer Fachtagung „Wie krank ist das denn? – Medikalisierung, Übertherapie, Pathologisierung“ vom 12.-14.4.2024 in Hannover haben wir gemeinsam die Ursachen dieser Entwicklung beleuchtet und Lösungen und Alternativen diskutiert.
Daraus entstand folgende Absichtserklärung:
Wir Ärztinnen und Ärzte und wir Apothekerinnen und Apotheker streben an, unser Handeln ausschließlich auf eine Verbesserung der Gesundheitsversorgung sowie auf Prävention und Gesundheitsförderung auszurichten.
Die Gesundheit und Lebensqualität des Individuums und der Bevölkerung sollen der Indikator sein, an dem wir die Qualität unseres Handelns und unserer Entscheidungen messen. Das setzt eine Verbesserung der interprofessionellen Zusammenarbeit im Gesundheits- und sozialen Sektor voraus (im Sinne der Förderung einer Primärversorgung) und beinhaltet auch gesundheitsökonomische Abwägungen und die Beachtung der Auswirkungen auf Umwelt und Klima.
Wir setzen uns dafür ein, dass finanzielle Fehlanreize, die Pathologisierung und Über- oder Unterversorgung fördern, abgebaut werden.
Wir setzen uns gemeinsam dafür ein, dass die unabhängige Erarbeitung und Aktualisierung evidenzbasierter Entscheidungshilfen und Gesundheitsinformationen kontinuierlich gefördert werden.
Die Nutzung unabhängiger Entscheidungshilfen soll Grundlage sein für die Beratung von Patient:innen und Kund:innen. Damit wirken wir sowohl einer Überschätzung von Arzneimittelwirkungen, unnötigen Arzneimittelgaben als auch überflüssiger Diagnostik (MRT, Labor) und unnötigen Operationen entgegen.
Wir unterstützen außerdem die unabhängige Förderung der Patient:innenselbsthilfe und wollen deren Akzeptanz und Beteiligung stärken.
Wir danken allen, die an der Erstellung der Deklaration von Hannover mitgewirkt haben. Die Verfasser:innen möchten im nächsten Schritt konkrete Handlungsempfehlungen erarbeiten, die Ärzt:innen, Apotheker:innen und Patient:innen als Anleitung („Hands-On“) und Informationsquellen bereitgestellt werden. Dabei stehen die Reduktion des Pharma-Lobbyismus, Stärkung der evidenzbasierten Medizin und Leitlinien, einschließlich der NVL (Nationalen Versorgungsleitlinien), im Fokus.