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Foto: Gorodenkoff Productions OU . stock.adobe

Zu viele Untersuchungen in der Schwangerschaft

  • Ella Feldmann, BUKO Pharma-Kampagne;

  • Beitrag zuerst erschienen in Gute Pillen – Schlechte Pillen 2025 Heft 1.
Mehr Ultraschall als medizinisch empfohlen:

Eine Analyse von Abrechnungsdaten weist darauf hin, dass es bei den Vorsorgeuntersuchungen wenig Unterschiede zwischen gesunden Schwangeren und Risikoschwangerschaften gibt.

Laut einer Analyse von Barmer-Abrechnungsdaten erhalten gesunde Schwangere viel mehr Ultraschall- und CTG-Untersuchungen als medizinisch empfohlen. Die Daten zeigen, dass sich die Versorgung gesunder Schwangerer kaum von denjenigen unterscheidet, bei denen ein schwieriger Verlauf der Schwangerschaft zu befürchten ist [1]. Dabei ist eigentlich genau festgelegt, welche und wie viele Vorsorgeuntersuchungen bei gesunden Schwangeren durchgeführt werden sollen.

Was ist vorgesehen?

Die Mutterschaftsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses und die ärztliche Leitlinie zur Überwachung in der Schwangerschaft sehen drei Ultraschalluntersuchungen bei gesunden Schwangeren vor. Weitere Untersuchungen sollen laut Leitlinie nur durchgeführt werden, wenn es dafür einen guten medizinischen Grund gibt [2]. In diesem Kontext ist auch die „Verordnung zum Schutz vor schädlichen Wirkungen nichtionisierender Strahlung bei der Anwendung am Menschen“[3] zu beachten. Diese verbietet, dass ein Fötus einer Ultraschalluntersuchung ohne medizinischen Grund ausgesetzt wird. Daher sind mehr als drei Ultraschalluntersuchungen bei gesunden Schwangeren nicht erlaubt, auch nicht als individuelle Gesundheitsleistung (IGeL).

Die Kardiotokografie, kurz CTG, zeichnet die Herztöne des Kindes sowie die Wehen der Mutter auf. Die Mutterschafts-Richtlinie benennt Gründe, wann ein CTG sinnvoll sein kann. Die Daten der Barmer zeigen, dass der häufigste angegebene Grund für einen erhöhten Überwachungsbedarf die Überschreitung des Geburtstermins ist. Die Leitlinie hingegen empfiehlt für Schwangere mit einem unauffälligen Schwangerschaftsverlauf in diesem Fall keine CTG-Kontrolle [4].

Deutliche Abweichungen

Auch erscheint der Anteil gesunder Schwangerschaften erstaunlich gering, denn bei ca. 80 Prozent ist ein Risikofaktor im Mutterpass vermerkt. Dort können über 50 Risikofaktoren angekreuzt werden. Beispielsweise wird erhoben, ob es eine Vorerkrankung in der Familie gibt oder etwa eine Erkrankung wie Diabetes mellitus vorliegt. Der Arzt oder die Ärztin stuft nach der Erhebung der Risikofaktoren ein, ob es sich um eine Risikoschwangerschaft handelt. Dies wird dann über ein separates Kreuzchen kenntlich gemacht.

Wurde ein Risikofaktor angekreuzt, bedeutet dies also nicht gleich, dass eine Risikoschwangerschaft vorliegt. Schwangeren ist das möglicherweise nicht klar, und zusätzliche Vorsorgeuntersuchungen werden nicht in Frage gestellt.

Risikolabel verunsichern

Die Ergebnisse der Barmer-Analyse zeichnen jedoch ein ganz anderes Bild: Gesunde Schwangere erhalten demnach fast genauso viele Vorsorgeuntersuchungen wie Schwangere mit medizinischen Risikofaktoren, beispielsweise Diabetes oder vorherige Früh- und Fehlgeburten. Nur gut ein Drittel der gesunden Schwangeren erhielten – wie vorgesehen – drei Ultraschalluntersuchungen, mehr als die Hälfte erhielten sogar fünf bis neun. Auch ließen Arzt oder Ärztin trotz Vorgaben der Mutterschaftsrichtlinie bei Frauen mit unauffälliger Schwangerschaft durchschnittlich fünf Mal ein CTG schreiben.

Überversorgung ist häufig

Die Daten deuten darauf hin, dass Ärzte und Ärztinnen kaum einen Unterschied in der Versorgung von gesunden Schwangeren und solchen mit besonderem Überwachungsbedarf machen.

Unnötige Untersuchungen und Behandlungen sind in unserem Gesundheitssystem keine Seltenheit. Darauf weist auch die Leitlinie „Schutz vor Über- und Unterversorgung – gemeinsam entscheiden“ hin. Die Leitlinie thematisiert die Gefahren einer Überversorgung und spricht evidenzbasierte Empfehlungen aus [5].

Autorin

Foto von Ella Feldmann

Ella Feldmann

Ella Feldmann ist Gesundheits- und Sozialwissenschaftlerin. Sie arbeitet für die BUKO Pharma-Kampagne, die kritisch die internationalen Vermarktungspraktiken der Pharmaindustrie beleuchtet. Bei „Gute Pillen – Schlechte Pillen“ ist sie sowohl ein Mitglied des Redaktionsteams als auch Autorin, die Artikel für die Hefte verfasst.

Fußnote